Tutanchamun

Die Geschichte, die zur Krönung Tutanchamuns führte, beginnt bereits weit vor seiner Zeit. Seine Bekanntheit verdankt dieser Kindkönig der Entdeckung durch Howard Carter. Doch die Entdeckung seines Grabes soll nicht Bestandteil dieser Ausführungen sein, sondern sein Leben und zum Teil auch die Geschichte vor seiner Geburt. Im Verlauf dieses Themas werden seine Herkunft und seine Rolle als "Staatsmann" erläutert. Tatsache ist auch, dass das Lesen unterschiedlicher Quellen auch zu unterschiedlichen Aussagen führt.

Gehen wir aber in der Zeit ein wenig zurück und beginnen mit der Herrschaft von Amenophis III. Dieser war ein direkter Abkömmling der 18. Dynastie und heiratete die bürgerliche Teje, Tochter des Juja, einem Militäroffizier, und seiner Gemahlin Tuja, der "Obersten Haremsdame und Sängerin des Amun". Amenophis und Teje hatten insgesamt 6 Kinder, davon zwei Söhne, Thutmosis (der ursprünglich als Thronfolger vorgesehen war) und Amenophis IV. sowie die Töchter Sitamun, Isis, Henuttaunebu und Nebeah. Thutmosis war ursprünglich für die Thronfolge vorgesehen, doch er starb und Amenophis IV. wurde im Tempel von Karnak als Thronerbe verkündet. Die Annahmen über eine Mitregentschaft von Amenophis IV. mit seinem Vater gehen auseinander und sind nicht sicher.

Amenophis III. übernahm von seinen Vorgängern ein blühendes Land und Ägypten, das sich von Mitanni (dem heutigen Nordsyrien) bis nach Karoi (im heutigen Sudan) erstreckte. Die Ausdehnung des Reiches verdankte Ägypten den Eroberungszügen der Vorgänger Amenophis’ und unter anderem einer Heiratspolitik, bei der die Töchter der ausländischen Herrscher an den ägyptischen Hof verheiratet wurden. Umgekehrt wurde nie eine ägyptische Prinzessin einem ausländischen Herrscher zur Frau gegeben, was bedeutete, dass diese einseitige Heiratspolitik Vertragsbrüchen entgegenwirkte.

Amenophis III. setzte die Heiratspolitik seiner Vorgänger fort und bat um die Hand der mitannischen Prinzessin Taducheba, die am ägyptischen Hof den Titel „Edle Dame von Naharina (Mitanni)“ erhielt. Durch den Tod Amenophis III. war der Ehe jedoch keine lange Dauer beschieden und die Prinzessin wurde in den Harem von Amenophis IV. eingegliedert um die guten Beziehungen zwischen Mitanni und Ägypten weiterbestehen zu lassen.

Die Große Königliche Gemahlin von Amenophis IV., der sich später Echnaton nannte, war Nofretete, die Tochter von Eje. Mit ihr hatte er sechs Töchter, von denen die zweitälteste Tochter bereits in jungen Jahren starb. Die dritte Tochter, Anchesenpaaton, wurde später die Hauptgemahlin von Tutanchamun. Nachdem Amenophis IV. sich in Theben, der Hauptstadt des Reichsgottes Amun nicht mehr wohlfühlte, beschloss er, eine neue Hauptstadt zu suchen und sie seinem Gott Aton zu weihen. Er gelangte nach Tell el-Amarna, einer verlassenen Wüstengegend und gründete dort die Stadt Achetaton (Horizont des Aton), um sie nie wieder zu verlassen, wovon die Grenzstelen künden.

In diese Situation wurde Tutanchamun hineingeboren. Sein Name war damals noch Tutanchaton was soviel wie „Lebendes Abbild des Aton“ heißt. Vermutlich ist er der Sohn Kijas, einer Nebenfrau Echnatons. Er wuchs vermutlich sorgenfrei im Umfeld der Aton-Religion heran. Nach dem Tod Echnatons übernimmt Semenchkare, der vermutlich ein Sohn Echnatons mit einer Nebenfrau ist, für eine kurze Zeit die Herrschaft. Er ist mit Meritaton, der ältesten Tochter Echnatons, verheiratet. Jedoch beide sterben kurz nacheinander und im Land herrscht wieder die prekäre Situation, dass die Ordnung durch die Krönung eines Pharaos wiederhergestellt werden muss.

Als einzige Nachfolger kommen Tutanchaton und Anchesenpaaton in Frage, da beide der königlichen Linie entstammen. Aus dieser Situation heraus wird der ca. 8-jährige Tutanchaton zum König gekrönt und mit der wesentlich älteren Tochter Echnatons, Anchesenpaaton, vermählt.

Auf unterschiedlichen Darstellungen werden Tutanchamun und Anchesenamun als Paar gezeigt, das einander sehr zugetan ist. So ist zum Beispiel auf der Rückseite des Throns ein Relief zu sehen auf dem Tutanchamun auf einem Thron sitzt und Anchesenamun ihn liebevoll salbt. Andere Reliefs zeigen Tutanchamun und Anchesenamun bei der Jagd wie sie Tutanchamun einen Pfeil reicht. In allen Szenen ist die Zuneigung, die diese beiden Menschen wohl verband, zu spüren. Als Howard Carter den Deckel des Sarges öffnete, fand er eine Blumengirlande auf der Brust Tutanchamuns und er romantisierte diese Girlande als letzten Abschiedsgruß der jungen Witwe an ihren Gemahl.

Seine beiden Berater sind Eje auf der politischen und Haremhab auf der militärischen Seite. Anlässlich seiner Krönung lässt Tutanchamun eine Restaurationsstele errichten auf der erklärt wird, in Ägypten die Unordnung zu beenden und den Kult der Reichsgötter wieder zu beleben und die Feste wieder einzuführen. Da Tutanchamun jedoch bis zu diesem Zeitpunkt sein Leben ausschließlich in Amarna zubrachte und von den alten Reichsgöttern wahrscheinlich nicht viel wusste, waren es mit Sicherheit seine Berater, die diese Absicht verfolgten. Vermutlich war Haremhab der Verfasser dieser Worte und den darauffolgenden Taten, denn nachdem Haremhab die Macht ergreifen konnte, ließ er aus dieser Stele den Namen Tutanchamuns herausmeißeln und durch seinen eigenen ersetzen.

Nach seiner Krönung residierte Tutanchaton noch zwei Jahre in Amarna ehe er den Regierungssitz wieder nach Memphis verlegte, wobei Theben das religiöse Zentrum war. Er änderte seinen Namen in Tutanchamun und den seiner Großen Königlichen Gemahlin in Anchesenamun. Sein Thronname lautete Nebcheprure.

Auch die anderen Bewohner von Amarna kehrten dieser Stadt den Rücken und kehrten größtenteils nach Theben zurück. Was allerdings aus den Anhängern des Atonkults wurde ist nicht bekannt, vermutlich wandten Sie sich wieder der alten Religion zuwandten.

Tutanchamun konnte nun sein Leben an der Seite seiner Gemahlin unbeschwert genießen, wie manche Reliefs zeigen. Spaziergänge in den Gärten des Palastes und Ausflüge zur Jagd waren der Zeitvertreib des jungen Paares. Darstellungen Zeiten Anchesenamun zu Füßen des Pharaos während einer Jagd. Tutanchamun ließ auch am Westufer einen Totentempel errichten. Doch trotz all des unbeschwerten Glücks blieb die Ehe von Tutanchamun und Anchesenamun kinderlos. Feldzüge, die Tutanchamun geleitet hat, sind nicht bekannt. Wohl aber war General Haremhab militärisch tätig, da die asiatischen Völker wie auch die Hethiter immer mehr Unruhe stifteten.

Die Ägyptologen vermuten, dass sein Tod wohl sehr unerwartet kam, da sein Grab wie auch die Grabausstattung für einen König der 18. Dynastie überhastet und klein wirken. Viele vermuten einen Mord an dem König, vielleicht weil er plötzlich Interesse an den Staatsgeschäften hegte und den „Beratern“ somit im Wege gestanden hätte, vielleicht weil Ägypten einen starken Herrscher benötigte, vielleicht aber auch nur aus reiner Machtgier eines Anderen.

Betrachten wir doch einmal die Mordtheorie: Zuerst soll versucht werden, den Tathergang zu rekonstruieren. Der Täter muss den König hinter dem linken Ohr treffen (ein Schlag auf den Hinterkopf ist mit Sicherheit leichter auszuführen). Es ist nicht sichergestellt, dass der König sofort in eine Bewusstlosigkeit fällt und dadurch ist für den Täter die Gefahr, erkannt zu werden, sehr groß. Des weiteren gehört zu einem Mord ein Motiv. Wer könnte ein solches besessen haben? Zuallererst wird man ein Motiv bei einem seiner Nachfolger vermuten.

Die Ehe von Tutanchamun und Anchesenamun war kinderlos und damit war die Thronfolge offen. In Tutanchamuns Grab wurden die mumifizierten Leichen von zwei Mädchen gefunden, die bereits sehr früh verstarben. Bei beiden wurde auf Röntgenbildern Skoliose festgestellt, was für beide Mädchen eine lebenslange Behinderung dargestellt hätte.

Und nun die Theorie eines Unfalls: Nehmen wir an, ein Wurfholz hätte ihn am Kopf getroffen und er wäre in Bewusstlosigkeit gefallen, die schließlich zum Tode führte. Der einzige Unterschied ist, dass der Unfall zufällig passiert wäre und der Mord aber geplant war.

Zum Schluss die Theorie einer Krankheit: Es ist auch durchaus möglich, dass Tutanchamun einer Krankheit zum Opfer fiel, die im alten Ägypten als nicht behandelbar galt. Dass er zunehmend unter Kopfschmerzen und Sehstörungen gelitten hätte und schließlich in eine Bewusstlosigkeit gefallen wäre, die zum Tode geführt hätte.

Durch Röntgenbilder ist Tutanchamuns Schädel bekannt und auch, dass zwei unterschiedliche Harzschichten, die im rechten Winkel zueinander stehen, vorhanden sind. Bei der Einbalsamierung wurde zuerst mit einem Haken durch die Nase das Siebbein durchstoßen und anschließend das Gehirn zu Brei gerührt, das danach durch die Nase „herausgezogen“ wurde. Anschließend wurden Harze in den Schädel gegossen.

Wenn man die Sache logisch betrachtet, dann müsste der Kopf nach unten hängen, z.B. über den Einbalsamierungstisch hinaus, und das Harz wird durch die Nase eingebracht. Danach wird der Körper einschließlich Kopf wieder gerade hingelegt und das Harz sammelt sich an der Rückseite des Kopfes, dem Gesetz der Schwerkraft folgend. Wenn man nun das Röntgenbild genau betrachtet, dann kann man feststellen, dass sich Harz sowohl an der Rückseite des Kopfes, wie auch an der Oberseite des Kopfes (also wenn der Kopf nach unten hängt) gebildet hat.

Daraus kann man schließen, dass es in dieser Einbalsamierung zwei unterschiedliche Stadien gab, in denen Harz in den Schädel gegossen wurde, welches ja auch eine Weile braucht um auszuhärten. Und nun kommt etwas Interessantes hinzu. Ein Knochensplitter befindet sich frei beweglich in der Hirnschale. Wäre Tutanchamun an den Folgen einer Knochensplitterung verstorben, dann wäre dieser Splitter vermutlich in einer der Schichten des Harzes eingegossen und wäre eben nicht frei beweglich. Also muss dieser Splitter nach seiner Mumifizierung entstanden sein. Dies kann nun mehrere Ursachen haben: entweder waren die Einbalsamierer nicht besonders vorsichtig mit der Leiche oder aber die Beschädigung ist während der Zeit der Ausgrabung und Untersuchungen entstanden.

Auf den Röntgenbildern ist hinter dem linken Ohr des weiteren eine Verdünnung des Schädelknochens zu erkennen. Diese Verdünnung lässt mehrere Schlüsse zu: zum Einen könnte der Druck im Schädelinnenbereich (vielleicht durch einen Tumor oder ein Bluterguss) so groß gewesen sein, dass an dieser Stelle so etwas wie ein Druckausgleich stattgefunden haben könnte. Die andere Vermutung wäre ein gezielter Schlag auf diese Stelle, ausgeführt mit einem stumpfen Gegenstand, wobei zu bedenken ist, dass gerade diese Stelle so einfach nicht zu treffen ist. Oder es war einfach ein unglücklicher Jagdunfall. Vielleicht könnte hier eine DNS-Analyse im Zusammenhang mit einer Tumorerkrankung Klarheit schaffen. Manchen Berichten zufolge verstarb der König nicht sofort an den Folgen eines eventuellen Schlages sondern siechte noch eine Zeit lang dahin.

Wer profitiert vom Tode Tutanchamuns?

Es wird vermutet, dass Eje Anchesenamun aus politischen Gründen heiratete und auf diese Art den Thron erbte oder Haremhab, der zum Einen die Armee hinter sich wusste, und zum Anderen mit Mutnedjemet, der Halbschwester Nofretetes, verheiratet war. Das sind allerdings Hypothesen, die nicht beweisbar sind. Oder doch?

In dem Grab Tutanchamuns zeigt eine Wandmalerei die Szene der Mundöffnung, um dem Toten ein Leben im Jenseits zu ermöglichen. Normalerweise wird dies vom noch ungekrönten Nachfolger des Verstorbenen durchgeführt. Und da liegt die Besonderheit in dieser Wandmalerei. Tutanchamuns Nachfolger Eje wird bereits mit den Attributen der Königswürde dargestellt. Ist dies ein Indiz für eine Täterschaft?

Anchesenamun muss die Aussicht einer erneuten Eheschließung dermaßen erschreckt haben, dass sie an den Hethiterkönig Schuppiluliuma schrieb und ihn bat, ihr einen seiner Söhne zum Mann zu geben. In Böghazkoy (Türkei), dem ehemaligen Hattuscha, der Hauptstadt der Hethiter wurden Dokumente folgenden Inhalts gefunden:
„Mein Gemahl ist tot, und ich habe keinen Sohn. Aber man sagt mir, dass du viele Söhne hast. Wenn du mir einen deiner Söhne schickst, könnte er mein Gemahl werden“. Verständlicherweise war Schuppiluliuma äußerst misstrauisch und schickte Gesandte, die Erkundigungen einziehen sollten. Anchesenamun schrieb ein zweites Mal: „Hätte ich einen Sohn, hätte ich mich dann ... an ein fremdes Land gewandt? ... Mein Gemahl ist gestorben. Einen Sohn habe ich nicht. Niemals werde ich einen meiner Diener zum Ehemann nehmen! ... Es heißt, du habest viele Söhne: Also gib mir einen von deinen! Mir wird er Gemahl sein, aber in Ägypten König.“ Schuppiluliuma konnte diesem Angebot nicht widerstehen und sandte seinen Sohn, den Prinzen Zannanza, nach Ägypten. Jedoch an der Nordgrenze Ägyptens lauerte man dem Prinzen und seinem Gefolge auf und brachte sie allesamt um.

Wen hat Anchesenamun gemeint, als sie von einem ihrer Diener sprach, den sie nie zum Ehemann nehmen werde?

Der Kampf um die Nachfolge wäre nicht nur im Falle eines Mordes, sondern in den beiden anderen Fällen genauso entbrannt. Die Konsequenzen für Anchesenamun waren in allen Fällen die gleichen. Sie heiratete Eje und regierte mit ihm, wovon ein Ring mit beider Kartuschen zeugt. Nach der Regierungszeit Eje wird sie nicht mehr erwähnt und man weiß nicht, was mit ihr geschah. Ob sie einem Mordanschlag zum Opfer fiel oder eines natürlichen Todes starb bleibt ungewiss.

Nun musste das Grab von Tutanchamun in aller Eile hergerichtet werden und dabei sind einige Dinge auffällig. Es sieht aus, als wären einige Dinge eilig zusammengerafft worden. Manche der Grabschätze scheinen für andere gemacht worden zu sein und Nicolas Reeves hat sogar nachgewiesen, dass die Deckel der Kanopenkrüge Tutanchamun gar nicht ähnlich sehen und in Wahrheit für Kija gefertigt wurden. Deren Name wurde jedoch sorgfältig getilgt, als die Deckel für Tutanchamun verwendet wurden.

Tutanchamun ruhte ca. 3.500 Jahre bis zum dem Moment, als Howard Carter einen Blick in das Grab warf, mit den Worten: „ ... ich sehe wundervolle Dinge ...“.

Zum Schluß noch ein paar Vergleiche und Vermutungen zum Leben Tutanchamuns

Wer war seine Mutter?

Das linke Bild stellt den Kanopendeckel zu den Kanopenkrügen dar, in denen Tutanchamuns Eingeweide aufbewahrt wurden. Daneben sind zwei Aufnahmen der Totenmaske zu sehen. Laut früheren Aussagen soll der Kopf auf dem Kanopendeckel Tutanchamun darstellen. Aber ist eine Ähnlichkeit zwischen diesem Deckel und den Goldmasken zu erkennen? Wenn man sich die Gesichter genau betrachtet, dann werden die Unterschiede deutlich. Der Ägyptologe Nicolas Reeves bewies, dass es sich bei dem Kopf des Kanopendeckels um die mutmaßliche Mutter Tutanchamuns handelt, eine Nebenfrau Echnatons mit dem Namen Kija. Ist sie vielleicht die mitannische Prinzessin Taducheba, die an den Hof Amenophis III. kam und nach dessen Tod in den Harem Echnatons eingegliedert wurde?

 

War es Liebe zwischen Tutanchamun und Anchesenamun?

Alle Darstellungen zeigen Tutanchamun und seine Königliche Gemahlin in inniger Zuneigung. Immer wieder ist zu sehen, wie Anchesenamun ihren Gemahl zärtlich umsorgt. Auch wenn von den Beratern diese Heirat politisch durchaus gewünscht war, ist die Zuneigung nicht zu übersehen.